„Wirklich enttäuscht haben aus unserer Sicht nur wenige Strategien“

  • Jan Tille
  • Absolut Research

FRANKFURT – Inzwischen liegen erste Analysen vor, wie sich Alternative UCITS-Fonds, sogenannte Liquid Alternatives, in der jüngsten Krise bewährt haben. HEDGEWORK NEWS hat bei Jan Tille von Absolut Research nachgefragt.


Hedgework: Herr Tille, Sie haben das Marktsegment der Alternativen UCITS-Fonds unter die Lupe genommen. Welches waren unter dem Eindruck der Corona-Krise die wichtigsten Erkenntnisse?

Jan Tille, Absolut Research:
Zunächst einmal, dass sich Diversifikation besonders in Krisenzeiten bewährt. Liquide alternative Strategien, die das Risiko gegenüber traditionellen marktkapitalisierungsgewichteten Strategien senken, waren in der aktuellen Marktphase in Lage einen stabilisierenden Beitrag für Investoren zu liefern. Allerdings hatten sich einige Anleger im Zuge der haussierenden Märkte zuvor aus derartigen Strategien zurückgezogen, da die Renditen liquider alternative Strategien, insbesondere jener von Long/Short-Ansätzen in solchen Phasen nicht attraktiv erscheinen.

Hedgework: Welche Strategien haben trotz Krise verhältnismäßig gut abgeschnitten und worauf führen Sie das zurück?

Jan Tille:
Im Mittel, sowie in der Spitze haben Long/Short-Volatilitätsfonds am besten abgeschnitten. Einige dieser Fonds sind beispielsweise so aufgebaut, dass sie trotz eines Long/Short-Ansatzes einen strukturellen Long-Bias aufweisen, der sich dann auszahlt. Andere setzten hier auch auf Mean Reversion und waren zuvor entsprechend Long positioniert. Managed-Futures-Strategien erzielten ebenfalls Gewinne, eine Eigenschaft, die sie ebenfalls in vorigen Krisen zeigten, hier wird häufig auch von „Crisis Alpha“ gesprochen. Allerdings waren die Ausschläge an den Märkten zuletzt deutlich wechselhafter, was diesen Fonds dann wiederum Probleme verursacht. Equity-Market-Neutral und auch Low-Beta-Long/Short-Fonds, die zwar im Mittel Verluste verbuchten, wirkten dennoch stabilisierend.
Etwas anders verhält es sich bei Smart-Beta, die wir ebenfalls in das Segment der Liquid Alternatives gliedern. Hier haben defensive Strategien zwar ebenfalls weniger Verluste erzielt als der Markt. Wenn diese jedoch 30 % einbrechen, dann sind 1,5 Prozentpunkte weniger immer noch schmerzlich. Dafür partizipiert man als Anleger natürlich in einer anstehenden positiven Korrekturphase direkt mit.

Hedgework: Welche Strategien haben demgegenüber eher enttäuscht und weshalb?

Jan Tille:
Wirklich enttäuscht haben aus unserer Sicht nur wenige Strategien. Short-Volatilitätsstrategien haben zwar beispielsweise bei den alternativen Long/Short-Fonds die höchsten Verluste hinnehmen müssen, das liegt aber in der Konstruktion. In Krisenzeiten ist die realisierte Volatilität immer über der impliziten, dafür gibt es dann in normalen Phasen die Prämie. Das ist ok, als Anleger muss man einfach mit dieser Entwicklung rechnen.
Gleiches gilt auch für die Performance im Bereich der Long-only Faktorstrategien, man spricht ja nicht umsonst auch von Risikoprämien.

Hedgework: Etliche Anleger dürften insbesondere mit ihren Long/Short-Fonds unzufrieden sein. Wie sehen Sie das?

Jan Tille:
Wie gesagt, ein Teil der Unzufriedenheit kommt sicherlich daher, dass die Ergebnisse in den letzten Jahren, gemessen an denen der Aktienmärkte, nicht sonderlich attraktiv gewesen sind. Dennoch gibt es Manager, die trotz temporärer Durststrecken über einen längeren Zeitraum, gemessen am Risiko, gute Ergebnisse erzielen.

Hedgework: Die Bandbreite der jüngsten Ergebnisse innerhalb einer Anlageklasse sind zum Teil erheblich. Wie ist das zu erklären und welche Schlüsse können Anleger daraus schließen?

Jan Tille:
Eine große Streuung der Ergebnisse ist bei alternativen Strategien eher die Regel als die Ausnahme. Auch wenn hier Vergleichsgruppen gebildet werden, sind diese weiterhin sehr heterogen. Jeder fundamentale Manager zieht aus seinen Analysen individuelle Schlüsse und positioniert sich entsprechend seiner Überzeugung, bei systematischen Strategien sind die Modelle unterschiedlich aufgebaut. Investoren sollten daher nicht einfach prozyklisch in jene Fonds investieren, die in einer bestimmten Marktphase gut dastehen. Dafür ändern sich die Zeiten teilweise zu schnell. Ein diversifizierter Ansatz über unterschiedliche Manager ist hier erfolgversprechender. Dabei sollte man Manager suchen, deren Analagephilosophie zum eigenen Portfolio passt, allerdings ist das natürlich nicht unbedingt einfach. Hier können Consultants mit ihrer Expertise jedoch Hilfestellung bieten. Ferner sollten sich Investoren im Vorwege Erwartungen über die Performance der Manager in unterschiedlichen Marktphasen machen, das wirkt dann auch möglichen Enttäuschungen entgegen.

Vita:
Jan Tille verantwortet seit 2019 das Fonds-Research der Absolut Research GmbH in Hamburg, wo er bereits seit 2009 tätig ist und sich schwerpunktmäßig mit der Analyse liquider alternativer Investmentstrategien befasste. Zu diesem Thema hat er im Jahr 2018 seine Dissertation an der Universität Hamburg veröffentlicht. Darüber hinaus ist Jan Tille beratendes Mitglied der Chefredaktion bei Absolut Research und verantwortlich für die inhaltliche Zusammenstellung der Fachpublikation Absolut|alternative.

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