„Überperformance durch den gezielten Einsatz von Faktorstrategien“

  • Dr. Wilhelm Berghorn
  • Mandelbrot AM

FRANKFURT – In Deutschland haben Millionen von Anlegern noch keinen Zugang zur Aktie gefunden, bedauert Wilhelm Berghorn von Mandelbrot AM. Um ihnen den Einstieg zu erleichtern, hat er den „Sparfonds Aktien“ entwickelt, der ebenso für institutionelle Investoren interessant sei. Hedgework fragt nach, wie die Anlagestrategie konzipiert ist.

Hedgework: Vor kurzem wurde der „Sparfonds Aktien“ aufgelegt. Hinter dem Fonds steht neben der Deutschen Wertpapiertreuhand, Donner & Reuschel und Hansainvest Ihr Unternehmen Mandelbrot Asset Management als Fondsberater. Vorab: welches Ziel verfolgt der Fonds?

Dr. Wilhelm Berghorn: Aus der Verhaltensforschung ist bekannt, dass Investoren Verluste in Investments viel stärker empfinden als entgangene Gewinne. Grundlegend hierfür sind die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Tversky, die gezeigt haben, dass Investoren ganz anders entscheiden, als in der klassischen Finanzmarkt-Theorie unterstellt. Insbesondere das psychologische Phänomen der Verlustaversion ist bei Aktieninvestments besonders ausgeprägt, d.h. bei beobachteten Verlusten ist ein Investor eher bereit Verluste zu begrenzen, als die mittel- und langfristigen Chancen zu sehen. Hier setzt der Sparfonds Aktien direkt an, in dem in Zeiten der Unsicherheit Investments mit einem Airbag ausgestattet sind und wir so Verluste begrenzen können. In dem Moment, wo die Märkte ruhig sind und die Chancenseite sich entfaltet, lösen wir diesen Sicherungsmechanismus und partizipieren an den reinen Marktcharakteristiken.

Hedgework: Für den Anlageerfolg ist natürlich das Risiko-Rendite-Profil entscheidend. Hier kommen Sie ins Spiel. Wie steuern Sie den Fonds?

Dr. Wilhelm Berghorn: Trends sind in den Märkten und auf Einzeltitel-Ebene vorhanden und wesentlich länger und ausgeprägter als die klassische Finanzmathematik postuliert. Ein Beispiel hierzu ist der aktuelle Corona-Crash an den Märkten, der so gut wie gar nicht in den Modellen statistisch trendfreier Preiszeitreihen der klassischen Theorie vorkommt. Ein weiterer Effekt ist der sogenannte Halloween-Effekt, d.h. dass Aktienrenditen sich in den Sommermonaten statistisch und im Mittel schwächer entwickeln als in den Restmonaten. Beides nutzen wir, um eine Entscheidung darüber zu treffen, wann wir Unsicherheiten vorliegen haben und damit absichern sollten. Die Absicherung selbst erfolgt über MSCI World Index Future, den wir dann verkaufen und damit die Marktrendite aus dem Aktienportfolio versuchen zu eliminieren. Auf der Aktienseite setzen wir dann eine dynamische Faktorstrategie ein, die sich anhand der aktuell gemessenen Marktcharakteristiken anpasst und im Wesentlichen die Performance dreier Faktoren misst und hierüber eine Entscheidung für die zukünftige Strategie-Ausrichtung im nächsten Monat trifft.

Hedgework: Können Sie uns die Faktoren genauer erklären, die Sie im Rahmen des Faktormanagements einsetzen?

Dr. Wilhelm Berghorn: Wir stützen uns im Wesentlichen auf unsere proprietäre Momentum-Strategie „Mandelbrot Momentum“ sowie den bekannten „Low Volatility“-Faktor. Unsere Arbeiten zeigen, dass beide Effekte Momentum und „Low Volatility“ zwei Seiten derselben Medaille sind. Bei Momentum kommt zum Tragen, dass Trends wesentlich länger sind als die klassische Theorie postuliert und auch die Rendite-Pfade stärkere Überrenditen zulassen. Es gibt Arbeiten, die zeigen, dass die Gewinnüberraschungen diesen Effekt im Wesentlichen – aber nicht ausschließlich – treiben. Verkürzt gesagt, der Markt antizipiert eben nicht alles. Unsere Momentum-Strategie ist hierbei optimiert in zwei Richtungen: Wie verhält sie sich historisch im gewählten Aktienuniversum und wie stark wird diese durch Gewinnrevisionen erklärt. Bei „Low Volatility“ haben wir in unseren Arbeiten gezeigt, dass dies im Grunde als indirekte Messung von Trends zu sehen ist und dadurch die risikoadjustierte „Outperformance“ erzeugt wird. Die Schlusskette ist dabei auch noch relativ einfach: Abwärtstrends sind signaltheoretisch schnelle und harte Rendite-Bewegungen, während Aufwärtstrends längere und langsamere Prozesse sind. Wenn man dann noch weiß, dass Trendwechsel automatisch zu höherer Volatilität führen, kann man sofort statistisch und im Mittel zeigen, dass „Low Volatility“ Aktien mit stabilen Aufwärtstrends misst. Abwärtstrends mit hoher Volatilität sowie Trendumkehrungen werden durch diese Messung vermieden.

Überraschend ist, dass es auch eine trendbasierte Entsprechung von „Value“-Strategien gibt. Hierzu hatten wir Ende 2018 über ein Verfahren aus der künstlichen Intelligenz eine klassische „Value“-Strategie auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses durch systematische Trendauswertungen repliziert. Das sind dann aus Trendsicht Aktien, die längerfristig im Preis gestiegen und in kürzeren Zeiträumen mit Abschlägen gehandelt werden. Dass dies funktioniert, kann durch ein zentrales Argument von Robert Shiller gezeigt werden: Demnach schwanken Aktienpreise weit stärker als die fundamentalen Daten, d.h. ob etwas „Value“ hat, hängt im Wesentlichen von der Preisentwicklung ab und nicht so sehr von den fundamentalen Daten. In unserem Ansatz finden alle drei Faktoren Verwendung.

Hedgework: Warum haben sie nur die drei Faktoren „Mandelbrot Momentum“, Value und Low Volatility gewählt? Es gibt doch auch andere.

Dr. Wilhelm Berghorn: Ja, die gibt es – es gibt sogar einen ganzen Faktor-Zoo. Spätestens hier muss man sich einmal grundsätzlich von der klassischen Risikosicht lösen und die Sicht von Benoît Mandelbrot einnehmen, der in seiner Spätphase überlagernde, trendbasierte und damit fraktale Märkte skizziert hat. Wir haben alle wesentlichen Investment-Stile wie „Value“, Momentum und „Low Volatility“ auf systematische Trendstrategien zurückführen können, die nichts anderes machen, als über verschiedene Zeitperioden den zuletzt sichtbaren Trend auszuwerten. D.h. nur die Zeitskala entscheidet darüber, welchen Investment-Faktor sie bekommen. Das ist ein Grundcharakteristikum von fraktalen Objekten. Mehr noch: Wir haben uns dann gefragt, ob man mit diesen Investmentstilen die Marktrendite beschreiben kann. Das Ergebnis war, dass dies mit einer Güte von 85% funktioniert und dies noch besser ist als das klassische Capital Asset Pricing Model. Wenn man sich übrigens als externe Referenz die Faktor-Linien von Blackrock ansieht, dann kommt man auf eine ähnliche Aufteilung.

In einem letzten Schritt haben wir uns dann angesehen, wie klassische Multifaktor-Systeme aber auch klassisches Faktor-Timing aus den 60er-Jahren operieren. Und auch hier finden wir, dass diese indirekt Marktregime ausnutzen. Kurzum: Momentum kommt bei Gewinnüberraschungen zum Tragen und hier neigen Investoren auch einmal, Gewinne mitzunehmen. „Low Volatility“ kann als sicherer Hafen bei Aktien angesehen werden und „Value“ ist stark in Umkehrsituationen, wenn Aktien also optisch günstig sind. Das lässt sich eben gut an den Faktor-Renditen ablesen, die dann in unterschiedlichen Phasen „Outperformance“ erzeugen und die man dann auch zur Entscheidung heranziehen kann.

Hedgework: Der Fonds ist von seiner Konzeption her oft gehedgt. Warum?

Dr. Wilhelm Berghorn: Kernziel ist es, Investoren die Verlustphasen zu verkürzen und auch die Verlusthöhen - soweit möglich - einzugrenzen. Da zeigt sich eben, dass die Sommerperioden statistisch im Mittel ein wesentliches Verlustpotenzial in sich tragen, was sie besser unter den Zielen des Sparfonds Aktien nicht tragen sollten. Dann ergibt sich automatisch eine Absicherungsquote von über 50%.

Hedgework: Entgehen Ihnen hier nicht Chancen?

Dr. Wilhelm Berghorn: Wenn man Chancen als absolute Rendite – also ohne Risiko – betrachtet, dann ganz klar. Wir werden auch im „Timing“ niemals perfekt sein. Die Frage ist, was wiegt schwerer: Chancen oder Risiken und wie ist die psychische Reaktion des Investors hierauf. Und hier kommt ganz klar die Verlust-Aversion mancher Anleger zum Tragen, d.h. entgangene Chancen wiegen psychologisch weniger stark als erlittene Verluste. Das ist im Übrigen auch das deutliche „Feedback“ der Berater im Endkunden-Geschäft. Wir wollen erreichen, dass Investoren Aktieninvestments langfristig entspannt durchhalten – auch in Krisenzeiten. Der Fonds ist primär geeignet für Anleger, die in Aktien investieren möchten, aber mit einem moderaten Risiko-Rendite-Niveau. Somit ist der Fonds nicht nur für viele Privatanleger attraktiv, sondern auch für Institutionelle, wie zum Beispiel Stiftungen.

Hedgework: Der Fonds folgt sehr klaren Regeln, aber diskretionäre Eingriffe sind trotzdem erlaubt. Wann würden die zum Tragen kommen?

Dr. Wilhelm Berghorn: Wir haben insbesondere in der aktuellen Krise gesehen, dass es Situationen geben kann, die es so zuvor noch nie gegeben hat. Diese „unknown unknowns“ ursprünglich nach Donald Rumsfeld, sind also Situationen, von denen man nicht weiß, dass man sie nicht weiß, sollen dann auch einen diskretionären Eingriff in absoluten Krisensituationen zumindest ermöglichen.

Hedgework: Zusammengefasst: Was sind die Chancen und Risiken des Fonds? Was wollen Sie durch Ihren Ansatz des dynamischen Faktormanagements mit Absicherung besser machen als andere Aktien-Fonds?

Dr. Wilhelm Berghorn: Die Risiken sind, dass man außerhalb der Absicherungsphasen dem generellen Aktienrisiko ausgesetzt ist und wir in schnell wechselnden Marktregimen nur verzögert anpassen und damit auch Unterperformance erzeugen können. Generell und damit für alle Strategien zutreffend, kann sich natürlich der Markt in Zukunft auch strukturell anders verhalten. Das gilt aber für alle Strategien im Markt. Wir wollen ganz klar Chancen auf Überperformance durch den gezielten Einsatz von Faktorstrategien in den jeweiligen Marktregimen wahrnehmen und gleichzeitig Verluste soweit wie möglich begrenzen. Das Ziel ist, dass die Strategie den Markt langfristig outperformt.

Dr. Wilhelm Berghorn ist Gründer von Mandelbrot Quantitative Research UG sowie der Mandelbrot Asset Management GmbH. Er hat Mathematik und Informatik studiert und wurde im Jahr 1999 in der Mathematik promoviert. In seiner Diplomarbeit und in seiner Promotion beschäftigte er sich mit der Anwendung von Wavelet-Analysen. Dr. Wilhelm Berghorn hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Wavelet-Analyse für Anwendungen in der Industrie sowie im Finanzbereich.

Mandelbrot Asset Management GmbH
Durch seine Arbeiten speziell in der Finanzmathematik hat Benoît Mandelbrot hinsichtlich des Verständnisses von Märkten einen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Dieser ermöglicht die Sichtweise fraktaler Märkte, in welchen „Trending“- und „Mean Reversion“-Effekte vorherrschen.
Auf Basis signaltheoretischer Erweiterungen dieser Theorie entwickelt die Mandelbrot Asset Management GmbH systematische und evidenzbasierte Investment-Prozesse. Ein Schwerpunktthema ist dabei der sogenannte Momentum-Effekt (Investition in stark gestiegene Aktien), der durchgehend für alle Asset-Klassen und Märkte nachgewiesen ist, als einer der stärksten „Outperformance“-Faktoren in der Literatur gilt und aus Sicht der klassischen Finanz-Theorie als Anomalie wahrgenommen wird.

Zurückzum Seitenanfang