DWS: Midterms wie erwartet – 2020 wird wegen Zuschnitt der Wahlbezirke spannend

FRANKFURT — Der Ausgang der US-Zwischenwahlen habe nicht überrascht, was sich in der verhalten Reaktion der Börsen widerspiegele, heißt es von der DWS. Interessant werde es 2020, wenn die Bezirke zur Wahl des Repräsentantenhaus neu aufgeteilt würden. Dann dürften sich die Machtverhältnisse verschieben.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

Aus Sicht des Marktes war es wahrscheinlich das beste Ergebnis, auf das man vernünftigerweise hoffen konnte. Die Stimmen für die US-Zwischenwahlen 2018 sind noch nicht vollständig ausgezählt, klar ist aber bereits, dass Republikaner ihre Mehrheit im Senat ausgebaut haben. Unterdessen haben die Demokraten offenbar eine ziemlich komfortable Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert. Auch in den Bundesstaaten haben die Demokraten gut abgeschnitten und konnten mindestens sieben Gouverneurswahlen für sich entscheiden, sogar im an sich sehr republikanischen Kansas. All dies entspricht weitgehend den nationalen Umfragetrends und anderen Daten der letzten Monate.

Tatsächlich gab es trotz nervenaufreibend enger Rennen in der Wahlnacht nur wenige echte Überraschungen. Dazu gehören die knappen republikanischen Siege in Florida, wo die Partei den Gouverneursposten verteidigen und einen Senatssitz dazugewinnen konnte. Auch auf der demokratischen Seite gab es einige unerwartete Erfolge im Repräsentantenhaus. Am Markt fielen die Reaktionen recht verhalten aus. Am frühen Abend legte der Dollar zu, als es kurz so aussah, als ob die Republikaner in der Lage sein könnten, auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit zu halten.

Ein republikanischer Sieg in beiden Häusern hätte voraussichtlich sofort zu Marktspekulationen über weitere, auf Pump finanzierte Steuersenkungen geführt. Das wiederum hätte wohl für höhere Renditen auf US-Staatsanleihen gesorgt und so den Dollar gestärkt. Aber mit der Dollarstärke war es schnell vorbei, als mehr Ergebnisse eintrudelten. Ohnehin hätten weitere Steuersenkungen zwar kurzfristig US-Aktien vielleicht geholfen, längerfristig aber wahrscheinlich die Risiken einer Überhitzung der Wirtschaft erhöht und die Schwellenländer zusätzlich belastet. Umgekehrt hätten demokratische Siege in wichtigen Senats- und Gouverneursrennen den Druck auf die Demokraten im Kongress erhöht, mehr zu tun als nur Präsident Trump zu kontrollieren. Früher oder später wäre wohl ein Amtsenthebungsverfahren auf die Tagesordnung gekommen – mit allen Unsicherheiten, die ein solcher Prozess mit sich bringen würde.

Alles nun also in Ordnung in Washington? Naja, an sich spricht viel dafür, dass wir seit 2016 in den Vereinigten Staaten einen durchaus gesunden demokratischen Prozess erleben. Denn trotz allen Händeringens politischer Kommentatoren: eigentlich zeigen die Ergebnisse aus den Jahren 2016 und 2018 vor allem, dass die berühmten amerikanischen "Checks and Balances", also die institutionalisierten Kontrollen, ziemlich gut funktionieren.

2016 konnte Präsident Trump einen ziemlich überraschenden Sieg im Wahlmännergremium erringen, obwohl Hillary Clinton rund 2,8 Millionen Stimmen mehr errang.[1] Damit hatten wenige gerechnet. Die scheinbar hohe Unwahrscheinlichkeit eines Trump-Sieges erklärt vermutlich einen Großteil der republikanischen Erfolge in beiden Häusern des Kongresses im Jahr 2016, ebenso wie viele demokratische Siege im Repräsentantenhaus im Jahr 2018. Mindestens 15 von den ungefähr 35 Repräsentantenhaussitzen, die Demokraten am Dienstag den Republikanern abjagen konnten, lagen in Stimmbezirken, in denen Clinton 2016 vorne lag. Damals hatten einige der dortigen Wähler vermutlich Clinton als das kleinere Übel gewählt, in der Erwartung, dass ihr republikanischer Repräsentant der neuen Präsidentin auf die Finger schauen würde. In diesen Stimmbezirken haben solche Wähler wohl nun ganz bewusst bei der ersten möglichen Gelegenheit ihr Urteil revidiert.

Im Rückblick ist also klar, dass die republikanischen Siege im Jahr 2016 auch einiges mit Glück zu tun hatten. Trotz der Erfolge der Demokraten im Jahr 2018 wären Investoren jedoch schlecht beraten, den Trumpismus nun für einen vorübergehenden Spuk zu halten. Donald Trump konnte die republikanische Nominierung gewinnen, indem er einen entschieden unorthodoxen und durchaus auch fremdenfeindlichen Kurs verfolgte. Abgesehen von seinen Handelskonflikten hat Präsident Trump während seiner ersten zwei Jahre im Amt weitgehend wie ein traditioneller Republikaner regiert. Mit einem solchen Programm hat er jedoch weder die 2016er Wahl gewonnen, noch den 2018er Wahlkampf bestritten. Anstatt beispielsweise die starke Wirtschaft und die beschlossenen Steuersenkungen zu betonen, geschweige denn Kürzungen bei Sozialsystemen in den Raum zu stellen, hat er sich vor allem auf ein zentrales Thema konzentriert: die Zuwanderung. Politisch war dies vermutlich nicht ungeschickt. Denn Kürzungen bei der Rentenversicherung und im Gesundheitsweisen sind auch bei seinen Anhängern keineswegs beliebt. Selbst für die republikanischen Steuersenkungen hatten die Wähler überraschend wenig übrig.[2]

Die Gesundheitsversorgung und die Steuersenkungen zugunsten der Reichen waren wahrscheinlich ausschlaggebend für viele demokratische Erfolge im Repräsentantenhaus. Aber Präsident Trumps hetzerische Rhetorik half den Republikanern, viel von ihrer eigenen Basis zu mobilisieren und so zumindest im Senat diverse Sitze zu verteidigen oder gar zu erobern. Das Ergebnis war ein starker Anstieg der Wahlbeteiligung im Vergleich zu anderen Zwischenwahlen.[3]

Für die amerikanische Demokratie ist dies ein gesundes, keineswegs unerwartetes Zeichen. In den letzten zehn Jahren wurden beide politischen Seiten durch zahlreiche Basisaktivitäten unterstützt. Solcherlei Manifestationen einer Zivilgesellschaft sind die Grundlage für die Stärke der amerikanischen Gesellschaft und Demokratie, auch wenn viele gerade an dieser zweifeln. "Wenn Amerikaner ein Gefühl oder eine Idee haben, die sie der Welt mitteilen wollen, suchen sie sofort nach anderen, die dieses Gefühl oder diese Idee teilen und, wenn es ihnen gelingt, sie zu finden, ihre Kräfte zu bündeln", beschrieb Alexis de Tocqueville die amerikanische Gesellschaft schon im Jahre 1740. Auf dieses Erbe können sich noch heute die Tea Party (die sich aus Protest gegen die vermeintlichen Kompetenzüberschreitungen der Obama-Regierung gründete) oder die im März dieses Jahres entstandene Bewegung "March for Our Lives" (zugunsten einer strengeren Waffenregulierung) berufen.[4] "Von diesem Zeitpunkt an hören sie auf, isolierte Individuen zu sein und werden zu einer Macht, mit der man rechnen muss, deren Handlungen als Beispiel dienen; eine Macht, die spricht und der man Gehör schenkt."

Nun, die amerikanischen Wähler haben jetzt zweimal gesprochen. Im Jahr 2016 euphorisierte Trump jene Wähler, die bereits länger von Teilen des republikanischen Parteiprogramms enttäuscht waren, sei es etwa Freihandel oder Einwanderungsreform. Trumps Sieg wiederum trug dazu bei, die demokratischen Wähler im Jahr 2018 zu mobilisieren. Ein wesentliches Wahlversprechen der Demokraten war, das soziale Sicherheitsnetz zu verteidigen oder sogar weiter auszubauen, insbesondere durch den Ausbau der Gesundheitsversorgung. Bei den Wahlen scheinen sie so einiges erreicht zu haben, auch auf der Ebene der Bundesstaaten.

Damit dürften sie für die nächste Runde der Neuaufteilung der Wahlbezirke im Repräsentantenhaus, die nach der Volkszählung 2020 vorgenommen wird, besser positioniert sein. Denn die erfolgt in den meisten Bundesstaaten durch die auf dieser Ebene gewählten Vertreter. [5] Bis zu den Zwischenwahlen 2022 dürfte die Neuausrichtung wahrscheinlich den Vorteil, den die Republikaner im Repräsentantenhaus bisher durch den Zuschnitt der Wahlbezirke genossen haben, deutlich verringern. Alle strukturellen Nachteile der Demokraten dürften damit aber nicht behoben sein. Ihre Wählerschaft etwa konzentriert sich in Städten entlang der Küsten. Im Senat und im Wahlmännergremium sind jedoch kleinere, ländlichere Staaten per se überrepräsentiert. (siehe CIO Special - Wahlen in den USA vom 21.09.2018)

Da das jetzige Wahlsystem so schnell nicht geändert werden dürfte, täten die Demokraten in Zukunft am besten daran, Kandidaten zu nominieren, die ländliche Wähler gewinnen oder die Wählerschaft durch eine höhere Wahlbeteiligung erweitern können. Dies war der Ansatz des demokratischen Kandidaten für den Senat Beto O'Rourke und der Gouverneurskandidaten Stacey Abrams und Andrew Gillum. Alle drei kamen dem Sieg in ihren jeweiligen Staaten Texas, Georgia und Florida – Staaten, die Trump 2016 für sich gewann – auf verlockende Weise nahe.

In den nächsten zwei Jahren wird viel davon abhängen, wie Politik und Märkte die Ergebnisse der 2018er Wahlen interpretieren. Vielleicht wird Präsident Trump seine Rhetorik abmildern. Überparteiliche Kompromisse erscheinen möglich, insbesondere bei der Infrastruktur. Angesichts der typisch langwierigen Natur solcher Projekte ist es jedoch unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen vor 2020 große Auswirkungen haben würden. Zudem wären in dieser Phase des Konjunkturzyklus, in der die US-Wirtschaft bereits nahe an oder vielleicht sogar leicht über der Vollbeschäftigung arbeitet, solche schuldenausweitenden Maßnahmen nicht besonders hilfreich.

Längerfristig sollte man die Implikationen der letzten beiden US-Wahlen für Anleger nicht unterschätzen. Eine Erkenntnis ist, dass Trumps Kernanhänger, die er in Anlehnung an Hillary Clintons abschätzigen Kommentar liebevoll "die Bedauernswerten" nennt, nicht mehr ignoriert werden. Wie lange sie Trump – oder den Republikanern insgesamt – treu bleiben werden, bleibt abzuwarten. Was jedoch bereits klar ist, ist, dass dieser Wählerkreis für Themen wie Freihandel und den Umbau von Sozialleistungen nicht mehr zu gewinnen sein wird. Also jene Themen, für die sich Amerikas Unternehmen und Aktienbörsen so zuverlässig begeistern können.

1. http://time.com/4608555/hillary-clinton-popular-vote-final/
2. Für Umfragedaten zu den Steuersenkungen siehe: https://www.vox.com/policy-and-politics/2018/6/22/17492468/republican-tax-cut-law-poll ; https://fivethirtyeight.com/features/the-gop-tax-cuts-are-even-more-unpopular-than-past-tax-hikes/
3. http://time.com/5447210/2018-voter-turnout/
4. Alexis de Tocqueville (2004 ed.), Democracy in America, translated by Arthur Goldhammer, The Library of America, pp. 598 (Vol. 2., Part 2, Ch, 5)
5. Für weitere Details, siehe: http://www.ncsl.org/research/redistricting/election-dates-for-legislators-governors-who-will-do-redistricting.aspx

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