BAI: Erwartete Effekte des Coronavirus auf Alternative Investments

  • Annette Olschinka-Rettig
  • BAI

FRANKFURT – „Die hohen Kursverluste bei Aktien und Anleihen stellen die Umsetzung strategischer Asset Allokationen und das Einhalten regulatorisch vorgegebener Quoten etc. vor besondere Herausforderungen“, sagt Annette Olschinka-Rettig, Geschäftsführerin des BAI. Ein Zwischenbericht aus Sicht der Alternatives.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) befasst sich seit jeher mit allen aktuellen Aspekten zu den diversen den Alternative Investments zugeordneten Assetklassen. Covid-19 ist derzeit das dominierende Thema, natürlich insbesondere mit seinen Auswirkungen auf den Gesundheitssektor und hinsichtlich zu erwartender gesamtwirtschaftlicher Folgen. Das Virus bedeutet für alle Assetmanager, Service Provider, Berater und institutionelle Investoren einen enormen Kraftakt, nicht nur hinsichtlich einer veränderten Arbeitsstrukturierung, sondern insbesondere auch mit Blick auf Reporting, Risikomanagement und Rebalancing. Gerade die hohen Kursverluste bei Aktien und Anleihen, aber auch generell breite Abverkäufe aus Risiko- und Liquiditätsgründen in allen Assetklassen stellen die Umsetzung strategischer Asset Allokationen und das Einhalten regulatorisch vorgegebener Quoten etc. vor besondere Herausforderungen, da „Tail-Risks“ und „schwarze Schwäne“ derzeit leider nicht mehr nur hypothetisch sind.
Auch wenn die Corona-Krise noch längst nicht überwunden ist, sondern vielmehr global noch stärkere Verbreitung finden wird, soll hier eine erste Einschätzung möglicher Effekte auf Alternative Investments gegeben werden. Diese kann zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht vollumfassend sein, zumal eine differenzierte Betrachtung erst dann möglich ist, wenn ein „Boden“ im aktuellen Umfeld erreicht ist. Die Darstellung beschränkt sich daher auf selektive Aspekte. Die Ausführungen reflektieren die Meinung des BAI und sind zudem gestützt auf jüngste Gespräche mit mehreren Verbandsmitgliedern und Investoren.

Private Equity
Die enorm hohen „Dry-Powder“-Bestände können im jetzigen Umfeld ein Glücksfall sein, da insbesondere in den Unternehmen hoher Finanzierungsbedarf besteht. So sind auch verstärkt Capital Calls bei Bestandsinvestitionen zu verzeichnen, wenn Fonds Liquidität z.B. für Overcommitments oder auch für FX Hedging abrufen.
Bei Neuinvestitionen ist zu erwarten, dass sich Kapitalabrufe erstmal deutlich verlangsamen. Mittelfristig kann es jedoch wieder zu höheren Abrufen kommen, da Entwicklungen nach früheren Krisen zeigten, dass gerade die dann neu aufgelegten Fonds – nicht nur bei Private Equity, sondern auch in anderen Assetklassen – eine sehr gute Performance liefern.
Exits aus bestehenden Investments werden schwieriger, da IPOs im jetzigen Marktumfeld und auch Veräußerungen an strategische oder Finanzinvestoren aufgrund der allgemeinen Marktunsicherheiten zumindest kurzfristig erschwert sein werden. Abzuwarten bleibt zudem, in welchem Umfang neues Fundraising bei institutionellen Investoren im aktuellen Marktumfeld machbar ist und ob bei allen Investoren hinreichende Liquidität zur Erfüllung bereits eingegangener Commitments verfügbar ist.
Überrenditen sind in den Bereichen Healthcare/Medtech/Biotech, aber auch in den Sektoren Telekommunikation und Informationstechnologie – aufgrund der starken Nachfrage z. B. auch hinsichtlich von Homeoffice-Arbeitsplätzen – möglich.
Aufgrund des üblichen Nachlaufs des Net-Asset-Value-Reportings wird eine volle Beurteilung der Auswirkung auf die Krise auf Private-Equity-Fonds erst ab Mai 2020 möglich sein, somit später als z.B. bei Private-Debt-Investments.

Private Debt
Für Private-Debt-Fonds ergeben sich neue Opportunitäten, da Banken im jetzigen Szenario hinsichtlich der Eigenmittelunterlegung (trotz beabsichtigter Sonderregelungen) an Grenzen stoßen. Aktuell ist Private Debt für syndizierte Darlehen im Sekundärmarkt, aber auch für syndizierte Kredite, deren Platzierung sich verzögert, sehr gefragt. Zudem könnte Private Debt ggf. auch schneller und pragmatischer zur Verfügung gestellt werden als liquide Mittel z.B. über die KfW-Hilfsprogramme. Gegenläufig ist allerdings die Bonitätsbeurteilung erschwert, da eine verlässliche Erstellung von Planungsrechnung derzeit kaum möglich ist.
Zugleich sind Ausfälle bestehender Darlehen aufgrund mangelnder Liquidität bei den Kreditnehmern absehbar. Betroffen sein werden hiervon insbesondere unbesicherte Kreditgeber, aber auch besicherte Kreditgeber sind ggf. einem Werteverfall der Besicherung ausgesetzt.

Infrastruktur
Eine Ausweitung öffentlicher Infrastruktur-Aufträge zur Ankurbelung der Wirtschaft würde positive Effekte haben. Negativ hingegen ist der derzeitige generelle Transportrückgang, der z.B. geringere Mauteinnahmen für Straßen und Brücken bedeutet. Auch bei Energieinvestitionen wird sich die gesunkene Produktion bemerkbar machen.
Die Realisierungsdauer von Neuprojekten verlängert sich in allen Krisengebieten aufgrund von Störungen in den Lieferketten, aber auch aufgrund des Behörden-Shutdowns. Dies wiederum führt zu einem Anstieg der Projektkosten, zu späteren Baufertigstellungen sowie Ergebniseinbußen.
Insbesondere in den Regionen, in denen Covid-19 erst später auftritt und in denen mit heftigen Auswirkungen zu rechnen ist (z. B. Afrika) aber auch in den bereits jetzt betroffenen Ländern ist zumindest das temporäre Aussetzen geplanter oder bereits im Bau befindlicher Infrastrukturprojekte absehbar.
Insgesamt werden sich daher auch hier Kapitalabrufe der Assetmanager bei den Investoren – zumindest für Neuprojekte – verlangsamen.

Real Estate
Erwartete Effekte auf Immobilien sind gegenläufig: Einerseits wird weiterhin Nachfrage nach Real Estate aufgrund der noch über weitere Monate fortbestehenden Corona-Krise bestehen, nicht nur im privaten Bereich (Betongold). Andererseits gibt es negative Preiseffekte aufgrund eines verstärkten Angebotes, u.a. da Baufinanzierungen nicht mehr wie gewohnt bedient werden können (siehe hierzu auch die Diskussion der Gesetzgebung zur Mietpreisstundung) oder Eigentümer ihre Immobilien zur Liquiditätsgenerierung veräußern müssen. Besonders stark betroffen sind Einzel- und Großhandelsimmobilien sowie Einkaufszentren, Gastronomie- und Hotelimmobilien. Hinsichtlich der Realisierungsdauer gilt gleiches wie bereits bei Infrastruktur ausgeführt.

Hedgefonds
Hedgefonds wurden von institutionellen Investoren bewusst in die Portfoliodiversifikation aufgenommen, um für volatilitätsstarke Extremsituationen vorbereitet zu sein. Je nach gewählter Hedgefonds-Strategie ist entsprechend davon auszugehen, dass diese Investitionen nun zur Renditestabilisierung beitragen.

Analysen von Absolut|Alternative vom 20.03.2020 zeigen, dass auch hedgefondsähnliche Strategien im UCITS-Mantel, sogenannte Liquid Alternatives, in diesen turbulenten Zeiten auf den Finanzmärkten in der Lage sind, stabilisierender Portfoliobaustein zu sein. Besonders gut performten bisher Long/Short-Volatilitätsansätze. Smart-Beta-Strategien konnten anders als Long/Short-Ansätze im aktuellen Umfeld weniger Rendite erzielen.
Auch Long/Short-Credit-Opportunity-Fonds verzeichnen derzeit positive Stabilisierungseffekte.
Für die Strategie „Event Driven“ können je nach Ausprägung Performanceeinbußen nicht ausgeschlossen werden, u.a. da M&A-Transaktionen kurzfristig kaum wie geplant stattfinden. Mittelfristig sollte hier aber eine Erholung eintreten, da M&A-Transaktionen wieder zunehmen werden; weniger wie bisher mit dem Primärziel der Wachstumssteigerung, sondern eher aus Konsolidierungsgründen.

Rohstoffe
Exemplarisch sei hier nur auf Öl und Gold eingegangen. Bei den Rohstoffen kommt der Ölpreisentwicklung, die direkt oder indirekt auf alle alternativen Assetklassen wirkt, in den nächsten Monaten besondere Bedeutung zu, einerseits angesichts des Nachfragerückgangs aufgrund der Krise (insbesondere seitens der Industrie), andererseits aber auch durch den Preiskampf zwischen den OPEC-Staaten und Russland. Gravierenden Einfluss hat die Ölpreisentwicklung zudem auf ölfördernde Entwicklungs- und Schwellenländer und entsprechend auf Alternative Investments in diesen Regionen.
Die weitere Entwicklung des Goldpreises und anderer Edelmetalle wird von Inflationserwartungen, aber auch von der Nachhaltigkeit allgemeiner Unsicherheit sowie sich ggf. weiter ausweitender Liquiditätsbedürfnisse geprägt sein. Der aktuelle Preisverfall beim Gold spiegelt bereits jetzt hohen Liquiditätsdruck.

Transport
Massive Einbußen im Flug-, Schiffs- und Fernverkehr, aber natürlich auch auf der Schiene sind unübersehbar. Entsprechend werden gerade Investitionen in Flugzeuge und andere Transportmittel durch die Krise extrem in Mitleidenschaft gezogen. Betroffen ist auch der Sekundärmarkt im Sinne eines Weiterverkaufs der Assets, da z.B. die Nachfrage nach Flugzeugen aufgrund existentieller Probleme der Fluggesellschaften drastisch sinkt.

Digitalisierung
Alternative Investments im Bereich Digitalisierung sollten von der Krise profitieren, einerseits aufgrund veränderter Arbeitsabläufe und -strukturen, andererseits aber auch vor dem Hintergrund enormen Kostendrucks u.a. auf Personalausgaben. Viele Arbeitgeber werden nun noch intensiver Automatisierungsoptionen prüfen. Nach überstandener Krise werden sich neue Chancen für Blockchain-Technologien ergeben, um Sparpotenziale zu heben (z. B. auch eine weitere Digitalisierung von Lieferketten und der Logistik). Auch im Fondsvertrieb sind weitere Anwendungen mit Distributed-Ledger-Technologien zu erwarten, um Redundanzen bei involvierten Assetmanagern, Service Providern und weiteren Beteiligten zu reduzieren.
Besondere Bedeutung kommt auch der Datenübertragung zu. Es ist z.B. davon auszugehen, dass der Ausbau von 5G-Netzen nun noch stärker eingefordert wird.
Anders als in anderen Assetklassen fehlen bei Crypto-Assets umfassende Erfahrungswerte zu Preisreaktionen in starken Krisen. Aktuell ist die Wirkung von Covid-19 auf Crypto-Assets zwar überwiegend negativ, mittelfristig könnte aber eine schnellere Erholung als bei anderen Assets möglich sein.

ESG
Die Ausrichtung der Portfolios an ESG-Kriterien über alle Assetklassen hinweg war bei den meisten Investoren und Assetmanagern in den letzten Monaten zentrales Thema. Es bleibt zu hoffen, dass diese Priorisierung auch in der nächsten Zeit aufrechterhalten werden kann, da derzeit auch massive Kapazitäten für fundamentale Themen der Vermögensverwaltung benötigt werden. Gleichwohl werden spätestens mittelfristig gerade auch „G“overnance-Themen besondere Bedeutung haben, somit insbesondere die Beurteilung des Krisenmanagements. Ein anderer zu erwartender Effekt ist die verstärkte Nachfrage nach Erneuerbaren Energien aufgrund der relativ geringen Korrelation dieser Assetklasse zu anderen Klassen gerade im aktuellen Umfeld.

Währungen
Bereits jetzt im Krisenmodus sind verstärkte Nationalisierungstendenzen zu beobachten. Hierdurch und mit Blick auf sich vorrausichtlich verschärfende Handelskonflikte sind stärkere Währungsschwankungen absehbar mit entsprechenden Wirkungen auf alle alternativen Fremdwährungsinvestments, sofern diese nicht z.B. von einem FX Hedging begleitet sind.
Gerade Afrika, aber auch viele andere Entwicklungs- und Schwellenländer, werden noch lange und schwer von der Corona-Krise und deren Auswirkungen betroffen sein. Selbst für Asien wird ein erneutes stärkeres Ausbrechen nicht ausgeschlossen. Diese Entwicklungen werden ebenso wie auch die US-Wahlen in diesem Jahr, zu stärkeren Wechselkursvolatilitäten beitragen.

Fazit
Gerade vor dem Hintergrund der in diesem Überblick skizzierten Unsicherheiten ist eine breite Portfoliodiversifikation essenziell. Zudem zeigt sich wie so oft: „Cash is King“, denn hinreichende Liquidität eröffnet trotz aller Markturbulenzen attraktive Optionen.
Noch wichtiger ist jedoch: bleiben Sie, Ihre Familie und Kollegen gesund! Hoffen wir alle, dass die schwerwiegenden Folgen der Covid-19-Krise für Menschen und Unternehmen die Welt nicht zu lange belastet.

Zurückzum Seitenanfang